Potable Prometheus

Eine etwas ältere (und nicht so antike wie es der Titel vermuten lässt) Liegenschaft aus der Reihe „Whiskys, die man beizeiten auf Whiskymessen hätte verkosten und genauso beizeiten hätte bebloggen können“. Ist aber nicht geschehen. Sei’s drum!

Prometheus Whisky Speyside 26 years

Feuriger Titan für alle Fälle: Prometheus

Heimathafen Hamburg, 6. bis 8. Februar 2015 – an diesen Tagen veranstaltete The Glasgow Distillery Co. im Rahmen der HanseSpirit drei Tastings, auf denen man den ersten Single Malt der quasi wiederauferstandenen Brennerei aus Glasgow verkosten konnte. Den Whisky, von dem etwas über 1000 Flaschen für Europa allokiert wurden, haben die Glaswegians „Prometheus“ getauft, ein Name, der auch den Perpetuum-mobile-affinen Kreativen von Ardbeg zur Ehre gereicht hätte, wenn die nicht ihren Space-Whisky „Galileo“ getauft hätten. Aber das ist eine andere Geschichte …

Warum dieser Single Malt „Prometheus“ heißt? Gute Frage. Ich weiß es nicht. Und auch die Pressemitteilung bzw. der official blurb geben darüber nur bedingt Aufschluss. Titan – check, Feuerbringer inklusive Riesenfenchel – check. So weit so (verkürzt) gut. Wie aber darf man die seltsame Volte mit dem verstorbenen Whisky-Schöpfer deuten, der einen Malt – „sophisticated and powerful“ – zurückließ, der von manch einem als Bedrohung wahrgenommen wurde. Really?! Wie gut, dass der titanische Waise (know your Kerényi: Papa Iapetos und Mama Klymene haben den kleinen Promi nicht im Stich gelassen, die Brüder Atlas und Menoitos sowie Zwillingsbruder Epimetheus schon gleich gar nicht, aber das ist eine andere Geschichte …) von vermutlich weisen Beschützern 26 Jahre lang versteckt gehalten wurde. Um dann doch in die Freiheit entlassen zu werden – das Versteck war also eher Isolationshaft als geschützter Rückzugsort –, das allerdings unter zwei Bedingungen: Er geht seiner Unsterblichkeit verlustigt und muss über seine Herkunft schweigen. So viel Marketinglogik beugt sich dann auch der feurigste Titan, zumal wenn ihm Kette, Adler und Leberleiden erspart bleiben. Aber das ist eine andere Geschichte …

Der findige Whiskypositivist allerdings lässt sich weder von mytho- noch cinematographischen Assoziationen (Hesiod? Ridley Scott?), schon gar nicht Lohengrin-Nähe („Nie sollst Du mich befragen …!“) beirren, sondern schlussfolgert kühn, dass eine „quasi wiederauferstandene“ Brennerei aus Glasgow nicht einfach einen 26-jährigen Single Malt lancieren kann. Ein weniger kühner Blick aufs Etikett hätte gereicht, jegliche Irreführung zu vermeiden: „Prometheus / Speyside Single Malt (aha!)“ und weiter unten „The sophisticated complexity of one of / Scotlands (sic!) greatest Single Malt Whiskies / amplified with the smoky power peat“. Und darunter „Speyside Peat“ (Terroir!) – alles klar.

Ein anonymer Speyside-Whisky, der, wie Liam Hughes (CEO The Glasgow Distillery Co.) verlauten ließ, von einer berühmten Brennerei stammt, die sonst ausschließlich ungetorften Whisky produziert. Der Name dieser mystery distillery wurde und wird nicht preisgegeben, aber soviel durfte man streuen: Stünde der eigentliche Hersteller auf dem Etikett, müsste man für den Prometheus noch tiefer in die Tasche greifen, der EVP wäre dann etwa doppelt so hoch. Angesichts des stattlichen Ausgabepreises von € 579 eine Wissenslücke, die sich verschmerzen ließe, oder?

Es sei denn …! – das sind (mehr oder weniger) sämtliche Speyside-Brennereien:

Eliminiert man jetzt alle distilleries, die 1988 schon nicht mehr produziert haben, zudem diejenigen, die durchaus mit Torfgaben arbeiten oder gearbeitet haben (etwa Tomintoul, Benriach, Glen Keith, Caperdonich und Balvenie) und jene, deren ältere Abfüllungen das eine oder andere Rauchwölkchen zierte (zum Beispiel Glenrothes, Glenfarclas oder Strathisla) sowie die Brennereien, die sich gar nicht erst in diesem Preissegment tummeln …, dann bleibt im Grunde genommen nur ein Kandidat übrig: The Macallan.

Ob der Stoff dieser pseudonymen Abfüllung tatsächlich von den Macallans stammt? Das ist eine andere Geschichte …

Prometheus Whisky

Titanisches Fläschchen

The Glasgow Distillery Co., „Prometheus“ 26 yo [Singular Fine & Rare Whiskies] 1st fill Sherry cask
47 Vol.-%

Nase: Wo ist der feurige Titan? Wo die „smoky power of peat“? Hier gibt’s vor allem jede Menge Demeter: reife Früchte (Äpfel und Quitten), crunchy Fruchtmüsli mit reichlich Nuss- und Honiganteil, dazu vegetabile, fast grasige Noten, die recht unvermittelt (wenn gute 20 Minuten noch als unvermittelt gelten dürfen) gen süßer, nur wenig bitterer Orangenmarmelade abdriften. Und siehe da: Leise, luftig-leise kräuseln sich die ersten Rauchwolken am Horizont.

Gaumen: Demeter dominiert weiterhin, eine komplexe Apfel-Birne-Quitten-Ingwer-tarte tatin, das First-Fill-Sherryfass verschafft sich Raum – mit Milchschokolade umhüllte Rosinen, weiche Röstnoten (Café au lait, Haselnüsse), Gewürze (Zimt, etwas Muskat) – um dann wieder einer gewissen Fruchtigkeit (weiße Johannisbeeren, Hutzeln, Feigen) das Geschehen zu überlassen. Rauch? Diskret, titanisch diskret.

Finish: Prächtig lang! Nicht ganz die (je nach Überlieferung) Jahrhunderte oder mehr, die der nicht aus dem Speyside stammende Prometheus in Ketten zubrachte, aber warum auch? Beeindruckend cremig, ein leicht pfeffriger, von Vanillehonigsirup fast schon triefender, phänomenal aromatischer Galaktoboureko, der im Nachhall (bei aller Üppigkeit) geradezu schlank wirkt. Ein Hauch Holz, eine Spur Rauch – sehr sophisticated, ziemlich perfekt.

Der Whisky-Reisende und Malt-Chronist der Harper’s Weekly Gazette, Alfred Barnard, schreibt in seinem Brennerei-Baedeker „The Whisky Distilleries of The United Kingdom“ (1887) über Dundashill (1902 geschlossen), das eigentliche Stammhaus der Glasgow Distillery Co.:

Arriving at Glasgow we drove to the Victoria Hotel, where the cheery landlord, Angus Mackay, a stalwart young “Hielander”, gave us a hearty welcome. After a substantial breakfast we engaged a good horse and trap, an soon found ourselves trotting along Buchanan Street, up several steep hills, until we finally arrived at our destination. Immediately below lies spread out the City of Glasgow, giving one good idea of the magnitude of the commercial Metropolis of Scotland, and claimed to be the second City of the Empire; a city which, unlike many others, has a history to boast of, dating from the remotest times, when elsewhere trade was unknown.

Wenn die ersten eigenen Abfüllungen das halten, was der „Prometheus“ verspricht, dann kann die Zukunft nur ähnlich großartig werden wie die Vergangenheit klassisch war.

στην υγειά σας!

Image Credits: Patrick Schlieker, PR.

Ein Kommentar zu “Potable Prometheus

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