Archiviert & wiedergetrunken: Whisky, »Managers’ Choice«

Notes from an old cellar-book: Es ist nun schon eine ganze Weile her, dass die alles andere als heimliche Whiskygroßmacht Diageo (nach einer Phase nicht unbedingt klandestinen Sondierens bzw. beherzter Drehungen an der sprichwörtlichen Preisschraube) eine umfängliche Probebohrung am Budget ihrer hierzulande doch mehr als treuen Verbraucher vorgenommen hat. Was anfangs nicht nur hiesige malt heads in Jubel ausbrechen ließ – über 20 neue single cask-Abfüllungen ebenso vieler Brennereien, non chill-filtered und in Fassstärke –, verhagelte spätestens mit Bekanntgabe der avisierten Endverbraucherpreise der Fangemeinde die Stimmung gewaltig! Symptomatisch für diese konzertante »Premiumisierung« seitens Diageos: die vergleichsweise ambitionierten £300 (September 2009) für einen auf 534 Flaschen limitierten neunjährigen (single digits malt!) Oban (58,7 Vol.-%), dessen nach wie vor hervorragende 14-jährige Standardvariante nach wie vor erstaunlich preiswert, fast günstig, am Markt zu haben ist. Alles klar, corporate greed! Dabei hätte doch alles so schön, so malzig-süß und harmonisch sein können … Zumal die Idee (von mir aus auch sales pitch) zur qualitativ fraglos gelungenen »Managers’ Choice«-Serie doch ganz apart war.

Der 17. Februar 2009 dürfte wohl als Tag ganz besonderer Umtriebigkeit in die Annalen der Diageo-Firmengeschichte eingegangen sein. Am Tag des Hl. Finan von Lindisfarne (wie es der Zufall will in bester schottischer Nachbarschaft auf der Hebrideninsel Iona geboren) kamen in der Destillerie Blair Athol Manager, Blend-Meister und andere qualifizierte Nasen und Gaumen der aktiven »Classics Malts«-Destillerien zusammen, um aus dem millionenfasstiefen Lagerbestand 27 single casks auszuwählen. Der Auftrag lautete, so die PR-Prosa seinerzeit, genau jene Fässer zu sichten, die den Charakter der jeweiligen distillery am originärsten repräsentieren, mit all seinen liebgewonnen, lobgepriesenen bis legendären(?) Eigenschaften, mit all seinen Ecken und Kanten, aber eben auch mit überraschenden, möglicherweise verborgenen oder gar untypischen Merkmalen, die einen single malt eben auch ausmachen können.

Der Whisky aus diesen Fässern (pro Brennerei eines) wurde dann in Fassstärke auf Flaschen gezogen – je nach Größe des Fasses bzw. angel’s share variiert die jeweilige Flaschenzahl zwischen 200 bis knapp 600. Ganz neu war diese Idee nicht, schon vorher (als Diageo quasi noch United Distillers war) gab es die sogenannte (Michael Jackson baptizavit) »Flora and Fauna«-Serie sowie die teils grandiosen »Manager’s Dram«-Abfüllungen, als derartige Breitseite, mit der Markt und Portemonnaie unter Beschuss benommen werden sollten, bis dato allerdings nicht.

Die Serie wurde seinerzeit in vier batches veröffentlicht, das Defilée sah so aus:

#1 – Cardhu, Glen Elgin, Linkwood, Mortlach, Oban, Teaninich
#2 – Blair Athol, Cragganmore, Dalwhinnie, Glen Spey, Strathmill, Talisker
#3 – Caol Ila, Dailuaine, Glen Ord, Glenkinchie, Inchgower, Mannochmore, Royal Lochnagar
#4 – Auchroisk, Benrinnes, Clynelish, Glendullan, Glenlossie, Knockando, Lagavulin

Warum also nicht in den Keller hinabsteigen und die verbliebenen Flaschen noch einmal in loser Folge Revue passieren lassen? Tatsächlich waren die Preise zum Teil fast unerträglich hoch angesetzt, die Leidensfähigkeit vieler Whiskyfans nicht hoch genug (die »Managers’-Choice«-Abfüllungen von Dailuaine, Glendullan, Glenkinchie und Mannochmore z. B. sind hier noch unter(?) Ausgabepreis erhältlich) – der Markt hat sich von diesem Experiment nicht gut erholt: Die Preise steigen weiterhin, nicht nur Diageo frönt einer gewissen Neigung zur schon erwähnten »Premiumiserung«. Der Stoff aber war und ist gut, in einigen Fällen deutlich mehr als das. Et voilà:

Whisky: Auchroisk Managers’ Choice

Auchroisk, eine von 642 Schwalben

Auchroisk [Speyside]  
Destilliert: 1999 – Abgefüllt: 2009
Alkohol: 60,6 Vol.-%
Fass: Bodega-Sherryfass, europäische Eiche
Flasche: #503/642

Farbe: Helles Gelb / Weißwein

Nase: Sehr süß: viel Karamell, etwas Vanille, ein warmer, noch nicht zu Ende gebackener Mürbteig, der darauf wartet, mit (karamellisierten, was sonst?) Äpfeln belegt zu werden. Sehr versteckte, fast „grüne“ Kräuternoten.
Gaumen: Schlank, sehr schlank, dunkleres Karamell, etwas reife Birne (ohne Gorgonzola), die mit Rosmarin und einigen Salzflocken präpariert wurde – das alles immer noch mit Kuchenteiggrundierung.
Finish: Ein leider etwas zu kurz geratenes „Mittellang“, süß und etwas trocknend.

[mit Wasser] Nase: Weiterhin sehr süß, etwas frischer, rezenter. Die Kräuter sind jetzt deutlicher, „chiantikrautig“ (durchaus angenehme Erdtöne), sehr zarte Wacholdernote.
Gaumen: Karamell deutlicher, dafür bitterer, Frucht fast verpufft, weniger Kuchenteig, dafür mehr Butterkeks.
Finish: Kürzer, dünner, weniger Malz, sehr spät dann eine Ahnung von dem Sherryfass, das bisher (zu) wenig zur Geltung kam.

Fazit: After dinner dram light, vor Wasser schützen. Hält geschmacklich bedauerlicherweise nicht ganz, was der Duft verspricht. Zeigt allerdings über welches Potential diese distillery verfügt, von der es leider kaum offizielle Abfüllungen gibt.

Whisky: Blair Athol Managers’ Choice

Blair Athol, einer von 570 possierlichen Ottern

Blair Athol [Highlands] Destilliert: 1995 – Abgefüllt: 2009
Alkohol: 54,7 Vol.-%
Fass: Bodega-Sherryfass, europäische Eiche
Flasche: #436/570

Farbe: Helles Gold

Nase: Ein satter Vanille-Volley, gefolgt von einer ungewöhnlichen Bananen-Marzipan-Mischung, die von Anis grundiert wird und in Richtung Wassermelone oszilliert.
Gaumen: Süß-säuerliche Fruchttöne (Orange, eine Spur Maracuja), die von einer interessanten Pfirsich-Kirsch-Melange abgelöst werden, dazu distinkt florale Noten.
Finish: Mittellang, trocken, hübsche Malz- und Kekstöne mit einem Hauch Lakritz.

[mit Wasser] Nase: Ein zweiter Duftkomplex scheint sich vor das oben beschriebene Vanille-Marzipan-Frucht-Allerlei zu schieben: eine eigenwillig Komposition aus Leinöl, Ingwerlimonade und einer Spur Estragon.
Gaumen: Mittlerweile ein eher auf der malzigen Seite befindliches Früchtemüsli mit einer Handvoll englischer Veilchenpastillen (Swizzles Matlow).
Finish: Ähnliche Länge, Malz weiterhin vorhanden, weniger Lakritz, dafür mehr Ingwerlimonade mit Minzblättchen und etwas Orangenpfeffer.

Fazit: Sehr ungewöhnliche Entscheidung des Managements hinsichtlich des casks, wunderbar irisierend (oder doch eher unstet?), die Verwandtschaft zum Blair Athol aus der »Flora & Fauna«-Serie ist eher dritten Grades, was diese Familie umso interessanter macht.

Whisky: Cardhu Managers’ Choice

Cardhu, ganze 252 Flaschen ohne jedes Tier-Signet

Cardhu [Speyside] Destilliert: 1997 – Abgefüllt: 2009
Alkohol: 57,3 Vol.-%
Fass: Bourbonfass, amerikanische Eiche
Flasche: #112/252

Farbe: helles Gold

Nase: Zitronenkuchen mit Zucker- und Zestenglasur, frische Kokosraspeln, Vanillenoten dank des Bourbonholzes recht präsent, dabei nicht aufdringlich, nicht zu breit. Dazu später etwas Ingwer, dann mineralische Noten nebst kleiner Zugabe von Orangenschale.
Gaumen: Breite, rundliche, sehr elegante Vanille, noch mehr Zitronenkuchen, noch mehr Zesten.
Finish: Schöne Länge, ausgesprochen harmonisch

[mit Wasser] Nase: Zitrische Noten werden um einige Grade frischer – (distinkt!) Zitronensorbet, elegant mit weißem Pfeffer und milchschokoladigen Spurenelementen gewürzt.
Gaumen: Wer gießt, wird Zitrusfrüchte ernten – der Anteil an Limetten, Mandarinen und Orangen hat deutlich zugenommen, deutlich mehr fruchtig-grüne Aromen, Vanille wirkt wie aufgespalten, was der Komplexität des Whiskys zugute kommt.
Finish: Auch das Finish profitiert von der (vorsichtigen) Bewässerung: lang und geradezu erfrischend mit einer aparten – wahrscheinlich holzbeförderten – Extradosis Ingwer.

Fazit: Cardhu, sonst eher ein Vertreter der goldenen Mitte, überrascht mit einem so vielschichtigen wie originellen Whisky, der zu mehr als einer Entdeckungstour einlädt – verblüffend fantastisch!

À suivre …

Image Credits: Patrick Schlieker.

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