»Managers’ Choice« – Whisky, die 2te
Archivalien, zweite Runde, diesmal single casks von Mortlach, Oban und Royal Lochnagar. Wie schon im Vorspann zur ersten »Managers’ Choice«-Trinitas erwähnt, erregte Diageos „innovative“ Preispolitik die Gemüter. Obans neunjähriger single digits malt, das Menetekel der things to come in Sachen Whisky, jenem Trank „vor dem der Verstand in Ehrfurcht den Nacken senkt“, fand sich dann recht bald auch in entsprechenden Ranglisten. Alles ganz harmlos! Richtig raffgierig und strategisch von ganz besonderer Finesse geht man bei der am 10. September von HRH The Princess Royal (Anne Elizabeth Alice Louise) mit einigem Aufwand, all quality, pride, pomp, and circumstance of glorious … capitalism eröffneten Brennerei Annandale vor. Der ausgesprochen clevere Plan dort: Durch den Verkauf der ersten 75 Fässer Whisky an enthusiasmierte Privatleute etwas über 11 Millionen Pfund einstreichen, was in etwa dem Volumen des gesamten Investments in die Unternehmung Annandale Distillery entspricht. Ein Abstinenzler, wer schlecht darüber denkt …
Aber zurück zu den drei »Managers’ Choice«-Whiskys, von denen ausgerechnet der Benjamin Oban extrem positiv auffällt.
Unter uns: Für mich kann’s nicht oban genug sein! Es existieren meines Wissens leider nicht eben viele (deutlich zu wenige!) Abfüllungen dieser Brennerei, seit ein zwölfjähriger Oban vollkommen „single“ erstmals 1979 am Markt verfügbar war. Im Jahr 6 AD (Anno Diageo, Beginn unserer Zeitrechnung 1997), also 2003, ließen’s die neuen Herren richtig krachen und überrumpelten die Oban-Fanboys mit dem 6000 Flaschen starken bottling eines 32-jährigen „The Little Bay“-Whiskys. Nur ein Jahr später opferte man dem Gott des Konsums (und gerstenmälzerner Disposition) 1260 Flaschen – Royal Mile Whiskies weiß(?) von 1020 Stück – eines kräftigen („natural cask strength“) 20-Enders. Zwei ausgesuchte Verbrauchergruppen bedachte Diageo daraufhin 2008 (sowie 2011) mit einem 18 Jahre alten Single Malt: Brennereibesucher und den US-amerikanischen Markt – why, oh why? 2009 stand endlich unsere Manager-Bouteille zum Verkauf. Seitdem konnten Obanophile offiziell 2010 und 2013 zugreifen – ein NAS respektive ein 21yo aus der „Special Release“-Serie, zudem gibt es auch seit 1998 jährlich eine „Distillers Edition„, die in einem Fino-Fass (Montilla-Moriles, nicht Jerez) den zweiten Teil ihrer double maturation durchläuft. Anfang dieses Jahres dann der Oban „Oban“ (recte „Little Bay“), immens zeitgeistig ohne Altersangabe, dafür aber im Litergebinde.
Bottlings unabhängiger Abfüller? Cadenhead, Gordon & Macphail, Signatory haben das eine oder andere Fass auf Flaschen gezogen, aber … never had one! Dann und wann liest man von Fläschchen aus der Prä-Diageo-Ära, dem „Oban Bicentennary Manager’s (aha, schon wieder!) Dram“ (16yo) von 1994 mit sagenhaften 64 Umdrehungen, einem 13- bzw. 19-jährigen dram für die nämliche Einkommensgruppe und/oder den in den jeweiligen Hierarchien ähnlich gut positionierten Damen und Herren … – auch hier muss ich (noch!, ganz hoffnungsfroh) passen.
Ad fontes, zum Whisky!
Mortlach [Speyside]
Destilliert: 1997 – Abgefüllt: 2009
Alkohol: 57,1 Vol.-%
Fass: Bourbonfass, amerikanische Eiche
Flasche: #222/240
Farbe: Manzanilla
Nase: Vanille, etwas Honig (vielleicht doch etwas fleischig, wie von Mortlach gewöhnt – Wacholderschinken mit Honigkruste?), ätherisch duftende Minzblätter, dazu grünlich-säuerlich-frische Fruchtnoten und ein Stück Rhabarberkuchen von einem Teller nebenan.
Gaumen: Cremig, gute Dosis Vanille, reife Äpfel bis hin zu Apfelkompott.
Finish: Recht lang und süß, dabei kernig-hefig.
Gaumen: Aromen etwas „aufgefalteter“, etwas weniger prägnant, die Cremigkeit dominiert weiterhin das Geschmacksprofil.
Finish: Weiterhin lang, weiterhin süß, die „Fleischqualitäten“ verschwinden zugunsten einer gewissen, kakaobepulverten Fruchtigkeit.
Fazit: Zurück bleibt: irgendwie frisch. Komplexer, eventuell ungelenker, als man es von einem „herkömmlichen“ 12-jährigen Mortlach erwartet hätte. Aber in der Tat sind die Wahlergebnisse der Manager alles andere als herkömmlich. Aber wer will schon herkömmlich?
Oban [(Western/Coastal) Highlands]
Destilliert: 2000 – Abgefüllt: 2009
Alkohol: 58,7 Vol.-%
Fass: Bodega-Sherryfass, europäische Eiche
Flasche: #422/534
Farbe: Gold
Nase: Ziiiinggg! – ein Hauch von Rauch, grasig, zerzupfte Minzblätter, grüne Walnüsse, einzelne süße Fruchtspitzen eher tropischer Natur, Sherrynoten, dazu Schokoladenstückchen und Marzipankrümel.
Gaumen: Gewürze und Samt, etwas Assam mit Malz- und Rauchnoten, ein zarter Anflug von Schokolade mit Minze, Orangenzesten und Sherrygrundierung.
Finish: Lang, ausgesprochen cremig mit einem winzigen Hauch Cognac-Seifigkeit und weniger Frucht, als man vielleicht angenommen hätte.
Gaumen: Zusätzlich Buttertoffee mit Meersalz, Milchschokolade und immer wieder Zitrone: würzig-säuerliche Zesteneinsprengsel, die die Sherry- nebst Karamellsüße perfekt abfedern und kontrastieren.
Finish: Lang und länger, weiterhin cremig, mit einer stupenden Frische und enormer Präsenz.
Fazit: Neben dem Cardhu unbestreitbar das Highlight der ersten Serie: ein brillanter, vergleichsweise junger Whisky von beeindruckendem Format.
Royal Lochnagar [Highlands]
Destilliert: 1994 – Abgefüllt: 2009
Alkohol: 59,3 Vol.-%
Fass: Bodega-Sherryfass, europäische Eiche
Flasche: #488/528
Farbe: Dunkles Gold mit kupferfarbenen Reflexen
Nase: Sofort Eichenholz, kräftige Sherrytöne, Orangenplätzchen als Boden eines Soufflé surprise mit Vanilleeis, Rum-Rosinen und einem Tropenfruchtsalätchen unter einer Zitronenmeringuenhaube.
Gaumen: Intensiv, sehr trocken, Gewürze (Süßholz, etwas Nelke) und Kräuter, hinter denen sich Früchtebrot und etwas grüne Banane verbirgt.
Finish: Mittellang, trocknend, zarte, bittersüße Anis- und Kakaonoten.
Gaumen: Mit Butter und Demerara- bis Muscovado-Zucker karamellisierte Haferflocken und wieder etwas ätherische Orangendüfte.
Finish: Mittellang, gewichtiger, da mehr Trockenfrüchte im Früchtebrot (Beeren, Hutzeln) zum Vorschein kommen, dazu ein Schwung sachte gerösteter Nüsse.
Fazit: Der häufig mit herablassendem Wohlwollen bedachte, immer unterschätzte Malt läuft hier zu stilvoller, wenn auch gefälliger Form auf. Sehr modern, sehr angenehm, sehr trinkbar!
Demnächst mehr …
Image Credits: Patrick Schlieker.
Was für schöne formulierte und nachvollziehbare (!) Tasting Notes!
Punkto Preis werden wir uns auf weitere unbezahlbare Dinge einstellen müssen. Soeben launchte The Balvenie (in diesem Fall als eine Tochter von Campari) seine Fünfer-Collection á 35.000 Euro. Darunter findet sich nicht nur ein 1968er Single Cask – in diesem Fall Unique Cask, es gibt nur ein abgefülltes Fass -, sondern auch ein neun-jähriger Malt, der ebenfalls dreistellig gehandelt wird. Für Deutschland gibt es diese Einzelflasche zwar nicht, dafür 18 Flaschen vom 1997 abgefüllten „The Balvenie“ zu 900 Euro…. [hier Platz für persönlichen Ausruf!]. Wer sie auf die Weihnachtsliste setzen will: „DCS Compendium, Chapter One 1997“ nennt sich das Ding.